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13.09.2023

Teil eines grossen Netzwerks

Vor 300 Jahren starb der Murenser Abt Plazidus Zurlauben. Er stammte aus einer mächtigen und gut vernetzten Familie. Eine Ausstellung in Muri beleuchtet nun seine Verbindungen.

 

Nur schon der Blick auf die Biografien seiner Geschwister zeigt: Abt Plazidus Zurlauben, 1646 als Franz Dominik Zurlauben in Bremgarten geboren und von 1684 bis zu seinem Tod 1723 während 39 Jahren Vorsteher des Murenser Konvents, stammte aus einer einflussreichen, bestens vernetzten Familie. Da war etwa der zwei Jahre ältere Beat Kaspar, der nach Studien in Paris und Rom als Leutnant im Dienst Savoyens stand und später Kompanien in französischen, savoyischen oder spanischen Diensten besass. Weiter amtete Beat Kaspar über zwölf Jahre hinweg als Landschreiber der Freien Ämter und besetzte in Zug zahlreiche würdenvolle Posten als Statthalter oder Ammann.

Söldner gegen Geschenke

Auch Abt Plazidus’ Halbbrüder Beat Jakob und Fidel Zurlauben kombinierten militärische und politische Ämter. Aber es gab auch Geschwister, die den Weg als Geistliche eingeschlagen hatten: Der drei Jahre jüngere Bruder Gerold war Abt des Klosters Rheinau, die fünf Jahre jüngere Schwester Maria Ursula amtete ab 1705 als Äbtissin des Zisterzienserinnenklosters Wurmsbach.

«Die Zurlauben besuchten und schrieben sich oft und hielten ihre Umwelt mit Geschenken bei guter Laune», stellte der Historiker Dominik Sieber bei seiner Untersuchung der Zurlauben-Netzwerke fest. «Bücher, Schokolade und Tabak machen die Runde», schreibt Sieber. Im Gegenzug zu den Geschenken gab es für die Zurlaubens Hinweise auf willige Söldner, die sich in den Dienst zum Beispiel von Venedig oder der Spanischen Krone stellen wollten.

Ausstellung zum Universum Zurlauben

Die Familie Zurlauben verknüpfte also geschickt politische, militärische und geistliche Macht und nutzte alle Verbindungen, um ihr Unternehmen im Soldwesen zu betreiben. Diesen Netzwerken widmet sich auch die Sonderausstellung im Museum Kloster Muri, die unter dem Titel «Von Söldnern, Geld und Macht» dem 300. Todestag des ehemaligen Abts gewidmet ist. Kuratiert wird sie von Historiker Thomas Frei. Er sagt: «Bislang hatte man in Muri Abt Plazidus Zurlauben vor allem als Bauherr im Blick.» In den 1690er-Jahren nämlich liess Abt Plazidus das mittelalterliche Kirchenschiff abreissen und ersetzte es durch die oktogonale Kirche, die bis heute grösste Kirchenkuppel der Schweiz.

Frei stellt in der Sonderausstellung nicht den Abt selbst, sondern dessen Familie ins Zentrum. «Wir wollen zeigen, wie stark die Männer und Frauen der Familie Zurlauben verzahnt waren», sagt er. Dafür hat Frei 21 teils historisch belegte und teils fiktionale Figuren entworfen, die auf einem Audio-Rundgang aus dem Zurlauben-Netzwerk erzählen. Besucherinnen und Besucher begegnen 18 dieser Figuren im Klosterkomplex – darunter auch den mächtigen Geschwistern von Abt Plazidus.

Der Fürstabt und ein Senn aus Muri

Eine weitere Figur steht auf Schloss Horben bei Beinwil, dem Sommersitz, den sich Abt Plazidus Anfang 1700 hat erbauen lassen. In der Aargauer Kantonsbibliothek in Aarau erzählt Beat Fidel, der letzte männliche Nachkomme der Zurlauben, aus seinem Leben. Beat Fidel nämlich hatte als Historiker das Familienarchiv zusammengestellt, das heute in Aarau als «Zurlaubiana» aufbewahrt wird.

Die dritte Aussenstation der Ausstellung befindet sich auf dem Sentenhof ob Muri. Hier begegnen Wandererinnen und Wanderer dem Senn Lonzi. «Beim Senn handelt es sich um eine fiktionale Figur», sagt Frei. Und doch berichtet sie von einer historischen Begebenheit. Sie braucht allerdings etwas Ausführung: Der bestens vernetzte Abt Plazidus Zurlauben empfing in Muri zahlreiche Gäste, so auch den kaiserlichen Gesandten Franz Ehrenreich Graf von Trauttmansdorf, der bei Kaiser Leopold I. die Fürstung des Abts vorschlug – mit Erfolg: 1701 wurde Abt Plazidus zum Fürstabt und stand nun auf der gleichen Höhe wie die aussereidgenössischen Fürstäbte von St. Gallen, Pfäfers, Disentis oder Einsiedeln. Sie besassen diesen Rang schon seit dem Mittelalter und waren damit in allen weltlichen Belangen dem Kaiser unterstellt.

Die Erhebung in den Fürstenstand hatte allerdings seine Kosten. Der Kaiser, der wegen der Kriege sowohl mit den Osmanen im Süden als auch mit den Franzosen im Westen dauernd in Finanznot war, verlangte als Gegenleistung 12 000 Gulden. Muri konnte diesen Betrag aus der eigenen Schatulle bezahlen. Und auch Graf von Trauttmansdorf ging nicht leer aus: Er erhielt zum Dank für seine Mittlerdienste 16 Kühe und 2 Stiere. Wer sie nach Wien getrieben hat, ist in den Quellen nicht ersichtlich. Senn Lonzi füllt in der Ausstellung diese Lücke.

Plazidus kennt das Soldwesen

Der Fürstentitel diente dem Kloster beim Ausbau des Territoriums in Süddeutschland. So erwarb Plazidus 1702 Riedeschingen bei Stühlingen, 1706 Glatt bei Rottenburg am Neckar, 1708 Diessen und Dettlingen, 1711 Schloss Oberstaad und 1715 schliesslich Dettensee.

Parallel dazu pflegte Plazidus den Kontakt zu seinen Geschwistern. Gut dokumentiert ist die Beziehung zum Bruder Abt Gerold von Rheinau, der stark in das Soldwesen involviert war. «Rheinau war ein wichtiger Sammelplatz der Söldner», sagt Historiker Sieber, der die Quellen aus Rheinau studiert hat. «Plazidus wusste von Gerolds Vermittlungstätigkeit und beriet ihn dabei.» Bislang gibt es keine Hinweise darauf, dass Fürstabt Plazidus ebenfalls Söldner anwarb. Allerdings ist klar: «Es gab im 18. Jahrhundert zahlreiche Söldner aus Muri, die in französischen Diensten standen», sagt Sieber. Solche Söldner hatten Verträge von jeweils einem Jahr, die meistens verlängert wurden, und zogen von Kriegsschauplatz zu Kriegsschauplatz. Ihr Lohn: Kleider, Nahrung, ein Handgeld und häufig auch eine Beteiligung an der Kriegsbeute.

Es bleibt das Oktogon

Als Abt Plazidus 1723 starb, standen die Zurlauben in Zug vor Herausforderungen: Ab Ende der 1720er-Jahren sollte es in Zug im Rahmen des Harten- und Lindenhandels zu sozialen Spannungen kommen, welche die Familie Zurlauben schwächten, aber doch nicht machtlos machten. Weiterhin war die Familie ins Soldwesen involviert. Im Jahr 1799 starb mit Beat Fidel – dem Erschaffer der «Zurlaubiana» – der letzte Zurlauben.

Es war die Zeit der Koalitionskriege. Die Herrschaften des Klosters Muri in Süddeutschland gingen dabei genauso verloren wie 1803 der Fürstentitel, den nach Plazidus Zurlauben auch die Äbte Gerold Haimb, Fridolin Kopp und Bonaventura Bucher geführt hatten. Während sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Netzwerke und Herrschaftsgebiete der Zurlauben aufgelöst hatten, blieb allerdings die barocke Kirche von Muri mit dem bekannten Oktogon als Erinnerung an den ersten Fürstabt von Muri bestehen.

Das Museum Kloster Muri widmet Abt Plazidus Zurlauben, seiner Familie und seinem Netzwerk eine Sonderausstellung mit Audiorundgang «Von Söldnern, Geld und Macht», 10. September bis 12. November 2023, 23. Januar bis 21. April 2024.

Vorträge der beiden Autoren von Geschichte Kloster Muri im Museum Kloster Muri

Josef Kunz: Das Leben von Plazidus Zurlauben am 23. September 2023, 14 Uhr

Dominik Sieber: «Wenn Kleriker im Soldgeschäft mitmischen» am 28. Oktober 2023, 14 Uhr