Nach der Klosteraufhebung 1841 war Sarnen das erste neue Zuhause der Mönche aus Muri. Bis 1974 führten sie hier das Kollegium oder Gymnasium und liessen dafür verschiedene markante Bauten errichten. Gleichzeitig war Sarnen auch ein Sammlungsort für Kulturgüter. Nun erstellen drei Kunsthistorikerinnen ein Inventar der wertvollen Objekte im Benediktinerkollegium.
Es sei wichtig, eine Bestandesaufnahme der Kulturgüter zu machen, meint Pater Benedikt Staubli. Ihm bereiten vor allem die historischen Uhren Freude: «Wenn ich eine flicken kann, so dass sie wieder läuft, dann bin ich zufrieden.» Die kunsthistorisch interessanten Objekte im Benediktinerkollegium Sarnen sind für ihn Teil seines Alltags als Priester und Seelsorger. Teil des Alltags sind sie gegenwärtig auch für die drei Kunsthistorikerinnen, die im Professorenheim von 1928/29 und in der Sakristei der Kollegiumskirche von 1966 die Kunstobjekte inventarisieren – also verzeichnen, beschreiben und fotografieren.
Einschätzung als Hauptarbeit
Rund 1500 Objekte sind es, die in die digitale Datenbank für Kulturgüter aufgenommen werden. «Bei jedem Objekt prüfen wir den kunsthistorischen Wert einerseits, aber auch den Wert für die Geschichte des Klosters und die historische Bedeutung andererseits», sagt Susanne Ritter-Lutz. Sie leitet das Inventarisierungsprojekt im Auftrag der Stiftung Geschichte Kloster Muri. 2021 hat sie zusammen mit Madeleine Ducret bereits die Objekte im Kloster Hermetschwil in eine Datenbank aufgenommen, 2022 und 2023 ist nun das Inventar der Kunstgüter im Benediktinerkollegium Sarnen an der Reihe.
Ebenfalls Teil des Teams ist Carmela Kuonen Ackermann, die sich in ihrer Laufbahn als Kunsthistorikerin auf Textilien spezialisiert hat. «In Sarnen gibt es einen ganz grossen Paramentenschatz mit vielen Stickereien aus dem 18. Jahrhundert, aber auch interessanten liturgischen Gewändern aus dem 19. und 20. Jahrhundert», sagt sie. «Dazu gehört etwa der Ornat der Paramentikerin Rosa Burkart aus Sarnen von 1934.» Die Namen der wichtigen Stickerinnen und Weberinnen sind ihr geläufig, und sie erkennt deren Werke sofort. So etwa die liturgischen Gewänder der Stanser Textilkünstlerin und Kapuzinerin Augustina Flüeler, die von 1899 bis 1992 lebte. «Sie hat das Design der liturgischen Gewänder seit den 1930er-Jahren erneuert und gab europaweit wichtige Impulse in diesem Metier.»
Wenig Zeit für detektivische Arbeit
Die Fülle an verschiedenen Objekten ist es, die Ritter-Lutz und Ducret überwältigt. Seit Februar haben sie schon mehr als 350 Objekte erfasst – liturgisches Gerät und Paramente, aber auch Skulpturen, Gemälde, Grafiken, Möbel, Geschirr oder Küchengeräte. «Wir nehmen die wichtigsten Eckdaten wie die Materialien und Masse auf und fotografieren die Objekte», sagt Ducret. Bei jedem Objekt liesse sich lange verweilen, recherchieren und Zusammenhänge zu anderen Gegenständen herstellen. Doch: «Wir haben pro Objekt ein maximales Zeitbudget von fünfzig Minuten», so Ritter-Lutz. Da bleibt wenig Zeit für die Details und die detektivische Arbeit zur Geschichte der schönen Gegenstände.
Von Intarsien und Veduten
Zu einer grossen Schreibkommode allerdings sind zahlreiche Details dokumentiert. Sie befindet sich heute im Gang vor dem Refektorium des Professorenheims und wurde durch den Grossvater des Malers Caspar Wolf aus Muri im Jahr 1733 gefertigt. Das Kloster hatte den reich mit Intarsien, also Holzeinlegearbeiten, verzierten Schreibtisch bei Wolf in Auftrag gegeben. Nach der Klosteraufhebung 1841 kam er dann mit nach Sarnen. «Der Transport dieses wunderbaren, aber sehr wuchtigen Möbels war bestimmt nicht einfach», sagt Ritter-Lutz.
Ebenfalls 1841 von Muri nach Sarnen kam wahrscheinlich der über zweieinhalb Meter breite und rund einen Meter hohe Kupferstich, der eine Ansicht der Stadt Rom zeigt. Er ziert heute eine Wand im ersten Stock des Professorenheims. Quellen darüber, wann der Stich aus Rom in die Schweiz gebracht wurde, gibt es nicht. «Es ist davon auszugehen, dass die Benediktiner aus Muri oft in Rom waren – und diese Vedute als Souvenir dort kauften», sagt Ducret.
Alte Werte und frischer Wind
Ab nächstem Jahr soll das Inventar auch für die Autorinnen und Autoren der neuen Klostergeschichte Muri zur Verfügung stehen. «Die Erstellung des Inventars und die damit verbundene Triage dient aber auch dem Konvent, sich den Wert der Objekte zu vergegenwärtigen und zu entscheiden, was aufbewahrt werden soll und was nicht», sagt Ritter-Lutz. Momentan fällt Pater Benedikt viele solche Entscheide, denn es werden leere Zimmer der Mönche, die Zellen, geräumt und renoviert. Ziel ist es, das Benediktinerkollegium neu auszurichten und für katholische Männer zu öffnen, die ihre berufliche Tätigkeit oder ihr Studium mit einem klösterlichen Leben verbinden wollen. Einige der neuen Zellen sind mittlerweile eingerichtet und bewohnt.