Häufig wird er als Humanist und Wissenschaftler dargestellt. Eine neue Publikation zeigt nun: Abt Laurenz von Heidegg war vor allem am Glanz des Gottesdienstes interessiert. Mit reformatorischen Gedanken setzte er sich kaum auseinander.
Für eine Biografie ist über ihn eigentlich viel zu wenig bekannt – weder ein Geburtsdatum noch Briefe oder ähnliche persönliche Notizen sind überliefert. Und dies, obwohl er in einer Zeit voller gesellschaftlicher Umbrüche vier Jahrzehnte lang als Abt von Muri amtete: Laurenz von Heidegg. Er wurde 1508 zum Abt von Muri gewählt und starb vor 475 Jahren, am 20. Februar 1549.
Trotz dürftiger Quellenlage haben sich nun Rudolf Gamper und Peter Niederhäuser des Lebenslaufs von Abt Laurenz von Heidegg angenommen. Am 25. Januar erscheint Band 10 der Schriftenreihe Murensia. «Wir wissen wenig über die Person Laurenz von Heidegg. Er ist in dieser Zeit allerdings keine Ausnahme», sagt Gamper. Der Historiker und Experte für mittelalterliche Bücher hat 2017 eine Biografie zu Joachim Vadian, dem St. Galler Reformator und Politiker, publiziert und kennt die Reformationsjahre der 1520er- und 1530er-Jahre in der Eidgenossenschaft bestens. Niederhäuser ist spezialisiert auf den spätmittelalterlichen Adel im Gebiet der heutigen Schweiz. «Wir beide haben unsere Spezialitäten eingebracht und konnten so ein Bild von Abt Laurenz von Heidegg zeichnen», sagt Gamper.
Dem Prunk zugeneigt
Wer also war Laurenz von Heidegg? «Er war ein Renaissance-Abt, der die Selbstdarstellung und den Glanz des Gottesdienstes pflegte», sagt Gamper, der Messbücher und Kunstobjekte aus der Zeit von Abt Laurenz analysiert hat. Unter Experten für Buchmalerei gelten die Bücher, die Laurenz in den 1530er-Jahren durch einen namenlosen Künstler – in der Wissenschaft heisst er «Meister des Laurenz von Heidegg» – hat herstellen lassen, als besonders wertvoll. Denn sie enthalten mit reichlich Blattgold verzierte Initialen. Akanthusblätter, Blumenkränze und andere Elemente schmücken die Anfangsbuchstaben einzelner Gesänge oder Gebete. Und immer ist auch das Wappen des Abtes Laurenz von Heidegg prominent abgebildet.
Nicht nur in Büchern hat sich Laurenz verwirklicht. Auch auf seinem Abtstab aus der Zeit um 1540 ist sein Wappen unübersehbar eingearbeitet. Dieser Stab sei «das kostbarste Objekt», das aus seiner Zeit im Kloster Muri erhalten ist, schreiben Rudolf Gamper und Peter Niederhäuser in der neuen «Murensia». Tatsächlich gehörte diese Art der Selbstdarstellung zum päpstlichen Auftrag an den Abt von Muri: 1507 nämlich, also ein Jahr vor der Wahl von Abt Laurenz, erhielt das Kloster Muri beziehungsweise dessen Abt die bischöflichen Rechte und durfte die entsprechenden Insignien führen – neben der Mitra also einen Stab.
Mönch und Vater
Über Abt Laurenz von Heidegg wurde verschiedentlich geschrieben, er sei von den Humanisten begeistert gewesen und habe eine höhere Bildung gehabt. «Ein Wissenschaftler war er sicher nicht», sagt Gamper nun nach seinen Untersuchungen. Welche Ausbildung Laurenz von Heidegg genoss, ist nicht bekannt, und auch sonst gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass er sich wissenschaftlich betätigte.
Was allerdings bekannt ist: Laurenz gehörte zur adligen Familie der von Heidegg, die aus dem Seetal westlich von Muri stammte und Besitztum im heutigen Kanton Solothurn hatte. Erstmals von Laurenz erfahren wir 1484, als der Stadtschreiber von Solothurn als Vormund für die Heidegg-Kinder auftritt. Zu diesem Zeitpunkt lebte auch die Mutter nicht mehr, und so wuchsen Laurenz und seine sechs Geschwister bei Tante Barbara von Heidegg auf, die in der Stadt Solothurn wohnte.
Bekannt ist auch, dass Laurenz von Heidegg Vater von Nikolaus war, der in Freiburg in Breisgau studierte und anschliessend Priester in Sursee war. Nikolaus selbst wiederum hatte sechs Kinder. «Dass weder Mönche noch Priester dem Zölibat folgten, war in dieser Zeit normal», sagt Gamper.
Netzwerke unterhalten
Für den Abt von Muri war es wichtig, gut vernetzt zu sein. Zu den Kontakten von Abt Laurenz gehörte Heinrich Bullinger der Ältere, der Vater des gleichnamigen Reformators, mit dem er auf die Jagd ging.
Zudem war Laurenz von Heidegg Mitglied der Chorherrenstube Zürich, wo sich Geistliche aus der weiteren Umgebung austauschten. Hier traf er Huldrych Zwingli, der ab 1518 als Priester am Grossmünster amtete. «Laurenz dürften Zwinglis intellektuelle Gedanken zu den evangelischen Grundsätzen fremd vorgekommen sein», sagt Gamper. Die Quellen geben dazu nicht mehr preis, ausser dass Abt Laurenz schon Anfang 1522 seinen Beitrag an die Chorherrenstube nicht mehr entrichtete. Es war das Jahr, in dem Zwingli durch ein Wurstessen das Fastengebot vor Ostern brach. Laurenz war – so eine mögliche Schlussfolgerung – nicht an Grundsatzdiskussionen über das Evangelium interessiert.
Kein Interesse an reformatorischem Gedankengut
Ins Freiamt gelangte die Reformation im Verlauf des Jahrs 1524, als in Muri einige Bauern das Fastengebot brachen. Während Jahren war die Bevölkerung gespalten, im Herbst 1530 predigten Anhänger des neuen Glaubens im Vorhof des Klosters von einer Kanzel und töteten einen der Mönche. Und als sich die Spannungen in der Eidgenossenschaft 1531 im Rahmen des Zweiten Kappelerkriegs entluden, zerstörten Berner auf ihrem Weg in Richtung Kappel am 16. Oktober die Ausstattung der Klosterkirche Muri.
Abt Laurenz stattet die verwüstete Kirche nach dem Friedensschluss von Kappel neu für den Gottesdienst aus. Dazu gehörten auch die Aufträge an Schreiber und Buchmaler. Kein Preis war ihm zu hoch, um alles zu fördern, «was ihm Glanz und damit Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit» verlieh, wie Gamper und Niederhäuser schreiben. Abt Laurenz schien nicht zu zweifeln: Das Kloster Muri soll weiterhin Bestand haben. Für ihn gab es nur den alten Glauben und die Bischofswürden, die er zu vertreten hatte.
Neue Publikation von Rudolf Gamper und Peter Niederhäuser: «Laurenz von Heidegg: Ein Renaissance-Abt im Zeitalter der Reformation» (Murensia, Band 10), erscheint am 25. Januar, 12 CHF.
Buchpräsentation, 25. Januar 2024, 18:00 Uhr, in Muri, Restaurant Benedikt/pflegimuri
Mit Abt Peter Stuefer, Muri-Gries, und den Autoren Rudolf Gamper und Peter Niederhäuser
Anmeldung unter: geschichte@kloster-muri.ch.